T-error [2005]

T-error, wie sonst soll man die Bestrebungen der selbsternannten "Kreationisten", nennen, ihre absurde Vorstellung, die in Amerika unter der Bezeichnung "Intelligent Design" bekannt ist, in den Schulunterricht zu bringen.
Diese Bewegung, deren bekanntester Vertreter der amerikanische Präsident George W. Bush ist, versucht mit pseudowissenschaftlichen Argumenten die Welt durch eine wörtliche Interpretation der Bibel zu erklären. Da dies, so die Verfechter dieser Idee, nichts mit Glauben zu tun habe, sei diese Bewegung keine Religion, sondern eine Wissenschaft, die beansprucht, gleichberechtigt neben der Evolutionstheorie in den Schulen gelehrt zu werden.
Ungeachtet der Absurdität dieser Sekte hat sie zahlreiche einflussreiche Anhänger und wird nicht nur in Amerika ernsthaft diskutiert.


Wie es die Zufall(!) will, fand ich vor einigen Tagen eine Broschüre, in der die unintelligenten Thesen des "Intelligent Design" vertreten werden.
Viel wissenschaftliches hat die Broschüre allerdings nicht zu bieten.
Die Evolutionstheorie wird, da es sich um eine Theorie handelt, als reine Glaubenslehre dargestellt, während die eigenen Axinome als wissenschaftlich erwiesen dargestellt werden.
Richtig ist, dass die Evolutionstheorie zwar eine Theorie ist (niemand ist dabei gewesen), diese Theorie stützt sich aber auf eine Unzahl von Beobachtungen, es gibt keine Beobachtungen, die ihr widersprechen, und sie kommt ohne Wunder aus. Somit erfüllt sie alle Anforderungen, die an eine wissenschaftliche Theorie zu stellen sind.
Dem können die Kreationisten lediglich entgegenhalten, dass es in der Bibel anders steht. Außerdem erscheint es ihnen, wie vielen anderen auch, ganz und gar unmöglich, dass die Komplexität der Welt und des Lebens sich aus einer Abfolge von Zufällen entwickelt haben könnte. Aus diesem Mangel an Vorstellungskraft jedoch auf die Existenz Gottes zu schließen, ist verwegen. Oh, sorry, Gott heißt der ja jetzt nicht mehr, pseudowissenschaftlich korrekt ist "Intelligenter Designer".
Lange Zeit waren die Menschen schlicht nicht in der Lage, die Komplexität der sie umgebenden Welt und das Rätsel der eigenen Existenz anders als durch ein Gotteswunder zu erklären.
Heute haben wir eine ziemlich klare Vorstellung von den Abläufen vom Urknall bis Heute, und stellen fest, dass wir selbst und unsere Welt ihre Existenz einer unfassbaren Abfolge von Zufällen und Wechselwirkungen zu verdanken haben. Damit sich aus dem ursprünglichen Wasserstoff des Urknall im Laufe von 13 Milliarden Jahren u.a. der HomoNonSapiens entwickeln konnte, sind so unwahrscheinliche Abläufe notwendig gewesen, dass es tatsächlich schwer vorstellbar erscheint, dass dies alles auf reinem Zufall beruhen soll. Jedenfalls dann, wenn man den Denkfehler begeht, und die Sache von hinten betrachtet. Die Geschichte hat aber vorne begonnen, und in diesem Licht werden die "Wunder" ohne Gott möglich und wahrscheinlich.

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen:
Die Lottozahlen, die im Laufe der Jahre in Deutschland gezogen wurden, sind gewiss eine Zahlenreihe, deren Vorkommen in genau dieser Reihenfolge ein äußerst unwahrscheinliches Ereignis ist. Alle Zeit der Welt würde nicht reichen, um diese Zahlenfolge zu wiederholen - es dürfte sie eigentlich gar nicht geben. Denn es gibt unendlich viel mehr Zahlenfolgen, die möglich wären. Warum sollte gerade diese eine aus den Myriaden von Möglichkeiten real geworden sein?
Ist da eine lenkende Kraft im Spiel? Oder sind ganz zufällig bei der ersten, zweiten, dritten ... Ziehung eben gerade diese Zahlen gezogen worden?
Diese Reihe zu wiederholen ist gänzlich unmöglich, deshalb wird die real existierende Reihe der Lottozahlen jedoch nicht weniger zufällig.

Sowenig wie man für die Ziehung der Lottozahlen einen Designer braucht (eher schon einen guten Zufallsgenerator!), braucht man einen solchen für die Entstehung des Universums und die Entstehung des Lebens.
Wer sich für solche Fragen interessiert, findet zahlreiche hochinteressante Darstellungen seriöser Wissenschaftler zu diesem Thema. Die Lektüre ist allemal lohnender als die verqueren Spinnereien dieser religiösen Wirrköpfe.
Mag jeder glauben, was er will, in den Schulen haben Glaubensbekenntnisse jedoch nichts zu suchen. Die Schule dient, anders als in vielen islamischen Staaten, bei uns der Wissensvermittlung. Zum Wissen gehören natürlich auch Theorien, die sich auf Beobachtungen und Experimente begründen. Nur dadurch, dass niemand ein Atom je gesehen hat, wird die Atomphysik ja nicht zur Religion. (Schön wärs, wir hätten ein Problem weniger.)
Auch die Kreationisten nutzen technologische Errungenschaften, die auf der Quantentheorie beruhen. Da nichts von Quanten in der Bibel steht, dürfte ein Handy oder ein Computer überhaupt nicht funktionieren.
Nun ist die Quantentheorie sehr unanschaulich, es gibt viele widersprüchliche Ansichten und niemanden, der sie versteht. Dem zum Trotz funktioniert die Theorie und es gibt zahlreiche Anwendungen, die das beweisen. Zudem sind Wissenschaftler immer bereit, jede Theorie auf den Prüfstand zu stellen und zu modifizieren, um die Theorie an die Welt anzupassen.
Im Gegensatz dazu versuchen die Kreationisten die Welt ihrer Theorie anzupassen. Was nicht ins Bild passt, wird umgedeutet oder ignoriert, anstatt die Theorie zu ändern.
Die Bibel ist, im Vergleich zu wissenschaftlicher Literatur, sehr übersichtlich, vielleicht 1000 Seiten mythologischer Verse. Die enthaltene Information ist sehr bescheiden und es gibt keinerlei Anwendungen, die auf den Aussagen der Bibel beruhen. Man findet weder anwendbare Informationen über die Natur der Materie noch des Lebens. Die Bibel stammt aus einer Zeit, als die Menschen sehr viel weniger wussten, und deshalb sehr viel mehr glauben mussten.
Manchmal kann Glauben zum Wissen werden, wie das bei vielen wissenschaftlichen Theorien auch der Fall ist. Die Bibel ist jedoch nie über das Stadium des Glaubens hinaus gekommen.


Warum haben solche mittelalterlichen Glaubens-Philosophien so beständig viele Anhänger, während die Relativitäts- oder Quantentheorie (oder auch die Evolutionstheorie) den meisten Menschen unbekannt sind?
Nun, der Glaube verspricht den Menschen, dass seine innersten Wünsche sich im Gebet verwirklichen lassen, dass seine Stimme bei der höchsten Instanz gehört wird. Darüber hinaus gibt es als Zugabe das ewige Leben.
Die Wissenschaft erklärt, dass alle sterben werden und dann anderen als Nahrung dienen, dass die Natur sich nicht um unser Wohlergehen sorgt, sondern gnadenlos ist. Und dass wir selbst für unser Tun und Lassen verantwortlich sind; niemand wird uns unsere Sünden vergeben, ggf. werden wir einfach weggefegt.
Wenn auch vieles dafür spricht, weiß ich nicht, ob die Wissenschaft recht hat. Und wenn auch alles dagegen spricht, weiß ich nicht, ob die Religion Recht hat.
Mal angenommen, die Religion hätte recht, wäre die Androhung ewigen Lebens Grund genug dem Gott abzuschwören. Denn was "ewig" in letzter Konsequenz bedeutet, hat sich wohl kaum ein Gläubiger jemals klar gemacht. Zu anderen ist die Vorstellung der Vergebung der Sünden eine gefährliche Illusion; es werden keine Sünden vergeben (sagt die Wissenschaft).
Und angenommen, die Wissenschaft hat recht, wird es vielleicht endlich mal Zeit, insgesamt erheblich weniger destruktiv zu leben und zu wirtschaften. Ich bin zwar nicht scharf auf die Unsterblichkeit, fühle mich aber für die Scholle, auf der ich sitze, und für den Fortgang der Evolution verantwortlich.

Wie das zu bewerkstelligen sei, das wäre ein Thema für die Schulen.

09.2005


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